In Bayern ticken die Uhren anders, die Zeit geht auch viel langsamer vorbei. Es ist halt gemütlich hier. Auch die Menschen ticken anders und sie reden auch ganz anders. „Ned hudeln! Des gibt schiache Kinder.“ Was so viel heißt wie: Wer rumstresst, kriegt hässliche Kinder. In der Ruhe liegt die Kraft, nur keinen Herzkasperl riskieren. Herzkasperl ist ein Herzinfarkt.
Es gibt viele lustige Wörter im Bayerischen: Lungaharing (Lungenhering = Rotzschleimspucke), Baatz (Matsch), Bazi (Schlawiner), arschlings (rückwärts) oder griabig (gemütlich). Überhaupt ist in Bayern alles anders. Der Königssee hat keinen König und im Kaiserschmarrn steckt auch kein Kaiser. Klingt komisch, ist aber so: Kaiserschmarrn hieß mal Casaschmarrn. Oder auch Schmarrn a la casa (lateinisch für Haus). Also Schmarrn des Hauses. Kein Witz! Das kennt man auch vom Italiener – Lasagne a la casa. Ein Kaiserschmarrn ist eine Mehlspeise des Hauses. Darum schmeckt er in jedem Haus ein bisschen anders, aber immer saulecker.
Der Königssee! Ein See wie im Märchenland, umrankt von wilden Wäldern und schummrigen Bergen, alles überragend der Watzmann. Vermutlich hat mal jemand eine Postkarte nach Japan geschickt. Und die haben sich gedacht: Utsukushidesu (schön), das schauen wir uns mal aus der Nähe an. Auf jeden Fall sitzen in unserem Ausflugsboot viele Japaner, ohne Wanderstöcke, dafür mit Selfie-Teleskop-Stick. Nur ein einziger Japaner trägt Outdoor-Klamotten. Der wird wohl zur Eiskapelle kraxeln. So ist es. Die restlichen Japaner bleiben nach dem Anlegen beim Kloster Bartholomä und schießen eifrig Selfies mit der Kirche im Hintergrund – Postkarten-Klassiker.
Wir suchen das Abenteuer. Wanderung zur Eiskapelle am Fuße des Watzmann. Ein allmächtiger Berg, der leider im Lauf seiner Geschichte nicht wenige Todesopfer zu beklagen hatte. Seit letztem Jahr wird auch ein ehemaliger Polizist vermisst. Möglich, dass er irgendwo hier liegt.
Der Watzmann ist mit 2.713m der höchste innerdeutsche Berg. Wir gehen zum Glück nicht hoch zur Spitze, sondern nur zu seinem Fuß. Je näher wir kommen, desto kühler wird es. Auf dem letzten Stück kann man wunderbar über Geröllhügel kraxeln. Nach knapp einer Stunde stehen wir vor der Eiskapelle. Sieht gar nicht aus wie eine kleine Kirche, eher wie der Eingang zu einem Giga-Iglu. Drinnen ist es zapfig kalt. Gut, dass Papa meine Funktionsjacke eingepackt hat. Praktisch so ein Papa. Er hat auch belegte Brote, Äpfel und eine Wasserflasche dabei – hier gibt es weit und breit keine Pommes-Bude. Aber eine Brotzeit am Bachlauf ist auch nicht verkehrt. In den kommenden Tagen bewandern wir noch zwei Almhütten. Die Aussicht ist Hammer, die Süßspeisen sind Oberhammer! Am allerbesten aber sind die Tiere am Bauernhof. Die Katzen, die Schweine, die süßen Kühe, die zuckersüßen Kälber. Bald kommen sie auf die Alm, dann fahren sie erst mit dem Boot über den Königssee – cool – und dann geht’s hoch zu den saftigen Weiden und Almkräutern. Wir haben sogar Lamas gesehen. Leider keine Murmeltiere. Wir hätten wohl tiefer in die Berge kraxeln müssen. Dafür sahen wir einen Steinadler! Man sagt, er sei der König der Lüfte. Ob der Königssee daher seinen Namen hat?